Konsum Realismus

"Just Listen, it tells you what to do"

Nachdem ich 1983 aus BKK Thailand zurückgekehrt war, die "wilde Malerei" (au revoir peinture) an den Nagel gehangen hatte und eine siebenwöchige Grundausbildung in Sachen Performance durch -ΔT erhalten hatte, wendete ich mich meiner alten Leidenschaft von Papieren zu. Lange Zeit hatte ich die unterschiedlichsten Papiere aus aller Welt, wie Zeitungen, Prospekte, Schriften, Verpackungen unterschiedlichster Art, et cetera gesammelt.

Mann und Frau, jeder hat sein eigenes Muster. Wir befinden uns in diesen Mustern, wollen wir sie verlassen, müssen wir sie zunächst verstehen, begreifen.

So hatte ich über drei Jahre einen immer wiederkehrenden Traum, den mir dann Christoph Hölscher auf einem Siegelring realisierte (übertrug).

1981 hatte ich begonnen, aus diesen Papieren Masken herzustellen.

Ende 1983 lernte ich den amerik. Fluxus und Happening Künstler Al Hansen kennen. Da "Kunst unser Bier war" und es keine Zufälle gibt, schickte Al mir als Spezialist für Konsummüll hunderte von Papieren aus N.Y..

(Zeitgeschichte aus dem Abfallkorb, Heike Hoffmann, S. 123, Al Hansen - An Introspective)

“New York is teeming with street paper and all kinds of fantastic, wonderful stuff. So I picked up two or fifteen pieces a day, being kind of choosy, not picking up everything. Some pieces talked to me, others didn’t say a word.”

So entstand eine Installation 150 Frauen - 150 Männermasken. Ein Teil stellte ich dann mit Al bei Gracie Mansion in N.Y. 1986 aus.

“The Cologne artist I had the most fun with in N.Y. is Lisa Cieslik. She did an installation of her masks with a sculpture of mine at the Gracie Mansion Gallery on the Lower East Side in N.Y. in 1986. The floor was sea weed from Patchoque, Long Island. It was guarded by a little black mama figure from a Puerto Rican magic shop. She is called “Madama” and is a voodoo goddess.”

Mein Interesse an grossflächigen Installationen wuchs. Parallel dazu hatte ich beobachtet, wie gr. angelegte Werbekamp. auf die Menschheit einstürzten. Auf hochwertigen Glanzpapieren Din A1 kringelten sich Bratwürste, Ölsardinen, et cetera. Ganze Hauseingänge wurden gepflastert mit Werbeprospekten, Briefkästen wurden quasi bombardiert. So gab es oft am Wochenende wütende, schimpfende Hausbesitzer und -Bewohner, die ganze Ladungen von Konsumpapieren auf die Strasse schmissen, aus ihren Briefkästen herauszerrten. Wenn es dann regnete, entstand eine Art Konsumbrei-Matsch.

Aus der Not eine Tugend zu machen, war schon immer mein Ding und das ganze so einfach wie möglich zu halten. Ich fragte bei der Firma Stüssgen, ob sie mir für eine große Installation ihre Werbeprospekte zur Verfügung stellen würden. Sie versahen die Bürger Kölns sehr gründlich mit kreativ gestalteten Prospekten. Ich erhielt eine Absage. So ging ich 1984 auf die Jagd. Ganze Strassenzüge entkonsumierte ich, später hatte ich grössere Jagdgebiete. Diana & ich waren quasi eins geworden. Wir hatten uns verbunden.

Eine Zeit vorher hatte ich Frau Dr. Stefanie Poley kennengelernt. Sie schrieb mir für eine Aktion / Installation verschiedene -ismen in der Kunst auf, die ich dann während der Performance laut ins Publikum rief, Konsumpapiere warf und das ganze auf die Künstler übertrug wie:

Beuysismus, Dalismus, Immendorffismus, Naegelismus, Buthismus, Polkismus, Dokoupilismus, Fluxismus, Warholismus, Cieslikismus, Konsumismus.

Das nannte ich dann Konsumrealismus. 1992 stellte ich den Konsum Realismus erstmalig während einer Aktion zum Glashaus-Abend in der Artothek des Bonner Kunstvereins bei Dr. Johannes Stahl vor.

Der Konsum Realismus war geboren. Al hatte mir gesagt, wenn ich nicht mehr weiter wußte: "Setz dich hin und höre in dich hinein, 'Es' sagt dir, was zu tun ist!" "Just listen, it tells you what to do!"

Es hatte gesprochen!

1996 wurde ich zu einem Museumsfest ins Ludwig Museum eingeladen. Die Abteilung der Pop-Art befand sich damals im Untergeschoß. Hinunter führte eine große breite Treppe. Ich wollte drei große Medizinbälle hinunterspringen lassen, mit der Aufschrift: Happening & Fluxus / Pop Art / Konsum Realismus.

Gleichzeitig wollte ich rufen:

Der Name meines Vaters heißt: Happening & Fluxus

Der Name meiner Mutter heißt: Pop Art

Mein Name ist: Konsum Realismus

Im Oktober 1986 erhielt ich von Jeane Freifrau von Oppenheim einen Brief: "Leider zwingen uns finanzielle Gründe und die Terminveränderung durch den plötzlichen Tod von Herrn Prof. Ludwig das Programm zu reduzieren."

"Gut Ding will Weile haben" sagte mir ein paar Jahre später Klaus Staeck. Na dann mal Tau!

 

Lisa Cieslik, Cologne / Germany – November 2006 ©